Vitalpunkte, Kyusho Punkte, Pressure Points, Dim Mak. Alles das selbe! Voll im Trend und ein Riesen Spaß, wenn man sich gegenseitig auf die Nerven geht. Und es ist einfach spannend, doch bevor Du mit dem Training voll durchstartest, hier eine kurze Einführung, ein paar Safety Instructions und ein kleiner Ein- bzw. Ausblick.
Kyusho & Vitalpunkte – Spaß mit gewisser Ernsthaftigkeit
Vorweg: Dieser Artikel ist eigentlich online seit ca. Mitte 2015. Er ist aber so gefragt, immer wieder gelesen und auf Seminaren bekomme ich regelmäßig Rückmeldungen zu diesem Thema. Darum hat sich dieser Artikel eine kleine Überarbeitung und Aktualisierung verdient.
Los geht’s!
Das Training mit Vitalpunkten ist eine ernste Geschichte. Es ist keine Magie. Kein Hokuspokus, das einfach cool aussieht. Ein Jedi-Trick. Nein! Ernsthaftes Training mit Vitalpunkten, also ein Training, ein realistisches Training ist immer mit Kontakt verbunden. Wer mit Pressure Points trainiert, trainiert seine Kampfkunst mit Kontakt. Und zwar mit Kontakt, welcher darauf ausgerichtet ist, leicht verletzliche und anatomisch-schwache Stellen des menschlichen Körpers anzugreifen.
Bedenke also immer, dass Du dein Kyusho Jitsu auf eigene Gefahr machst.
Bevor Du jetzt sagst, „dann lass ich lieber die Finger davon“, lies noch ein Stück weiter. Kyusho Jitsu kann Deine Kampfkunst sehr bereichern. Es gibt Dir einen ganz neuen Blickwinkel auf Deine Techniken.
Auch macht es einfach mega Spaß sich und anderen einmal weh zu tun (nennt sich Happy Pain, ich konnte es auch erst nicht glauben). Nein, ich bin kein Masochist oder so. Es ist nur so interessant die Wirkungen der einzelnen Nervenpunkte auf den menschlichen Körper zu beobachten. Naja, nicht nur zu beobachten, sondern auch zu füllen (Basty´s erster KO). Nur falls Du dich fragen solltest, wie ich jetzt so schnell umgekippt bin, so geht’s!
Wenn Du deinen Blickwinkel ebenfalls erweitern und über den Tellerrand blicken möchtest, gebe ich Dir hier ein paar Grundlagen zum Training mit auf den Weg.
Was ist Kyusho Jitsu? Was sind Vitalpunkte?
Kyusho Jitsu ist keine neue Kampfkunst oder Kampfsportart. Sie ist eher ein Wissen, welches in allen Kampfkünsten verborgen ist und sie somit ergänzt. Daher ist es von Vorteil einen gewissen kampfsportlichen Hintergrund mitzubringen, um effektiv mit Vitalpunkten arbeiten zu können. Aber dies ist nicht unbedingt notwendig. Ich habe bereits viele Trainer erlebt, die von der Picke auf Nervendruckpunkte unterrichten. Doch für ein Selbststudium sollte eine gewisse Basis an Bewegungen bereits sitzen.
Was bedeutet Kyusho Jitsu? Oft wird es mit der „Kunst der Vitalpunkte“ übersetzt. Ich finde es aber so eher in die Irre führend. Kyusho sind meiner Ansicht nach Nervenpunkte und Jitsu übersetzt sich am leichtesten mit Fertigkeit. Demnach bedeutet Kyusho Jitsu so etwas Ähnliches wie, die „Fertigkeit der Nervenpunkte“.
Das Studium des Kyusho Jitsu beginnt an zweierlei Orten. Einmal, und das ist die herkömmliche Denkweise, mit den Grundlagen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und mit der Beschäftigung der genauen Lage der Nervendruckpunkte. Es wird gelehrt in welcher Richtung, Angriffswinkel und auf welche Art und Weise die Vitalpunkte aktiviert werden müssen. Die andere Perspektive ist eine weniger mystisch behaftete Perspektive. Es geht hierbei um die Anatomie des Körpers auf Grundlage der westlichen Medizin. Und hier speziell um die Lage von Nervenbahnen und noch genauer um Stellen, wo Nervenstränge enden, ein Nerv sich verzweigt oder wo Nerven sich kreuzen. Wenn man hier Kyusho noch etwas weiter fasst, dann geht es auch um Blutgefäße, Lymphen, Sehnen und Luft.
Ebenfalls gehört zum Studium des Kyusho Jitsu das Wissen und die Fertigkeiten zur Linderung bestehender Beschwerden und Blockaden. Dies wird derzeit unter dem Begriff der Reanimation zusammengefasst. Hier erhältst Du einen schnellen Einblick in die Reanimation bei technischen und tiefen KOs.
Wenn dir diese Absätze jetzt zu mystisch geklungen haben, dann kann ich dir auch nicht weiterhelfen. Aber die Frage „Wieso muss ich mich mit der TCM beschäftigen?“ kann ich absolut nachvollziehen. Mit Energien oder Yin und Yang arbeiten kann schließlich als Quatsch abgetan werden? Meine Wahrheit ist, Du musst dich damit nicht beschäftigen!
WHAAAT!? Das hat Basty jetzt nicht gesagt…
Wie bereits geschrieben, Vitalpunkte und Kyusho Jitsu ist ebenso die Lehre von der Anatomie und der Struktur des menschlichen Körpers. Dieser gedankliche Zugang hat mir zwischenzeitlich echt den Arsch gerettet. Es ist für meinen westlichen Verstand einfach einfacher. Halt ein wenig greifbarer. Lass es mich ein wenig verdeutlichen.
Magen 5 nach TCM und westlicher Medizin
Wenn Du dich jetzt gefragt hast, was hab ich mir denn da gerade angeschaut. Das erfährst Du gleich! Doch zunächst möchte ich dir verraten, wo ich die Bilder her habe. Denn diese Lektüren begleiten mich in meinem Training öfter als mir manchmal lieb ist.
- Pressure Point Fighting. Secrets of Ryukyu Kempo
- DTV-Atlas zur Akupunktur
- Prometheus Anatomie Teil 1-3
Also zurück zu den Bildern. Es soll dir verdeutlichen um was es hier genau geht. Spielen wir mit Magen 5.
Zunächst einmal, wo liegt Magen 5? Er ist von der Lage her vor dem Mandibularwinkel am Vorderrad des m. masseter, oder oberhalb des Unterrandes des Mandibularknochens, wo in einer Vertiefung ein Puls gefunden wird.
Die TCM würde die Lage von Magen 5 vielleicht so darstellen: Ähm, genauso wie oben! 😉 Der Unterschied liegt eher in der Deutung des Punktes. So würde die TCM die Aktion der Nadelung vielleicht so beschrieben. Vertreibt Wind (Trigemius-Neuralgie). Öffnet die Meridiane des Gesichts. Magen 5 heißt im chinesischen Daying – Großer Empfang. Der Meridian ist Yang und Erde zugeordnet. Für was ist das wichtig? Das kommt mit dem Training und dann wenn unterschiedliche Punkte und Prinzipien miteinander kombiniert werden. Also für den Anfang absolut uninteressant!
Magen 5 ließe sich nach westlicher Anatomie in etwas so beschreiben: Hier sind die Arteria+Vena facialis (Blutversorgung des gesamten Gesichts), der ramus marginalis mandibulae des N. facialis (motorische Innervation der mimischen Muskulatur im Kinn- und oberen Halsbereich) sowie an der Innenseite des Unterkiefers (ragt ein bisschen seitlich über die Kante) die Glandula sumbandibulare, eine Mundspeicheldrüse. Das klingt doch schon brauchbarer zum Draufhauen! Jedoch würde einNormalsterblicher und Nichtmediziner irgendwann der Kopf platzen. Für die Kampfkunst ist es im Detail nicht notwendig, bzw. kommt es nach und nach im Laufe der Zeit. Man schnappt schon einiges auf!
Wenn Du noch ein bisschen mehr über die Verbindung von TCM und einem westlichen Kyusho Ansatz erfahren möchtest, dann kann ich dir nur den Artikel zum neuromuskulären Zusammenhang zwischen Adrenalin und Hyperreflexie an Herz legen.
Nur mal so als kleiner Exkurs. Lass dich also von dem ganzen TCM Zeugs und von der westlichen Detail-Anatomie nicht abschrecken, sondern gehe einfach deinen Weg und versuche für dich das Beste aus dem Kyusho rauszuziehen. Wenn Du wissen möchtest, wie Magen 5 in der Praxis aktiviert und genutzt wird, dann guck doch Nils schnell mal über die Schulter.
Kehren wir wieder zu den Grundlagen zurück
Diese 6 Hinweise beziehen sich auf die Wirkung des direkten Aktivierens von Nervenpunkten. Sie geben eine gewisse Orientierung und dienen ebenso als Sicherheitshinweise für dein Training.
- Schlagen eines Punktes erzeugt Schmerz an dieser Stelle.
- Schlagen oder Pressen von zwei Punkten zur gleichen Zeit, kann Schmerz in der Mitte der beiden Punkte verursachen. Manchmal meint man der Schmerz selbst ist an einem Platz zwischen den beiden Punkten.
- Arbeitest Du an drei Vitalpunkten zur gleichen Zeit ist das Resultat Bewusstlosigkeit, mit 99 % der Chance auf Wiederbelebung. Diese sind an einigen Stellen am Körper zu finden, wo eine Hand die Punkte aktivieren kann. Generell verlangt ein Dreipunkte Knock-Out, dass beide Hände zusammenarbeiten.
- Angriffe auf vier Vitalpunkte kann zu einer Beeinflussung eines der inneren Organe führen, mit dem Resultat, dass es zu Bewusstlosigkeit oder sogar zu Tode führen kann. Die Energie muss sofort und unmittelbar reanimiert werden. Es gibt eine 90 prozentig Chance auf Wiederbelebung des Opfers, gebrauchen wir die Energie Rückführungstechniken.
- Beginnt Dein Partner kurz zu atmen, wird es ihm übel oder schwindlig, dann hast Du die Punkte zu lange bearbeitet. Diese Symptome sollten nur eine kurze Zeit bestehen und sich wieder legen. Falls die Symptome nicht nachlassen, solltest Du einen Arzt aufsuchen.
- Das Bearbeiten von Vitalpunkten verursacht keine blauen Flecken. Falls Dein Partner blaue Flecken bekommen sollte, hast Du die Punkte nicht richtig getroffen.
Nachfolgend möchte ich dir ein paar Hinweise für dein „tägliches“ Training mit Vitalpunkten geben? Ich möchte mir hier noch einmal wiederholen. Vitalpunkte, das Wissen, die Theorie, die Praxis, das sich-gegenseitig-hauen, das ist spaßig und macht Laune. Jedoch gehört immer eine gewisse Ernsthaftigkeit ins Training. Immerhin geht es um das Schlagen eines Menschen auf schwache-anatomische Körperstellen.
Basiswissen für ein sicheres Partner-Training
Dieses „Basiswissen“ dient dem Schutz deines Partners und dir selbst!
Auch wenn sich manche Regelungen seltsam und abgefahren anhören, befolge sie dennoch einfach. Um ein System zu verstehen, müssen wir es erst annehmen und unsere eigenen Erfahrungen machen. Erst im Nachhinein können wir eigene Änderungen vornehmen und das System an unsere Kunst anpassen. Nur woher sollen wir zu Beginn wissen, was falsch und richtig ist?
Nur weil etwas komisch klingt oder sich nicht mit unseren Vorstellungen deckt?!
Die nachfolgenden Regeln für das Training sollten unbedingt beachtet werden:
- Wenn möglich solltest du immer unter einem erfahrenen Meister trainieren. Oft ist dieser nicht zu Hand, ich weiß! Dann mache deine Anfänge und ersten Erfahrungen auf Kyusho Seminaren.
- Du musst Dich bemühen die Arbeit und das Training mit den Druckpunkten nicht unnötig auszudehnen. Besser formuliert, das Training mit dem Fokus auf Schlagen der Vitalpunkte (wo es richtig weh tut) sollte auf 20 Minuten in der Woche limitiert sein! Verbring die restliche Zeit mit dem Andeuten von Techniken um in deiner Ausführung immer präziser zu werden.
- Entscheidest du Dich einen Punkt zu schlagen, dann stell Dir vor, Du würdest an einer Tür klopfen (Gelassen! Nicht wütend). Auch solltest Du nicht wahllos Techniken an deinem Partner ausprobieren, konzentriere Dich in einem Training auf eine kleine Auswahl an Punkten.
- Wenn Du mit deinem Partner trainierst, dann bleibe immer nur auf einer Körperseite. Dein Körper wird die Schmerzen so besser verkraften können.
- Lass überkreuzte Körpertechniken erst einmal weg. Damit meine ich, schlag nicht entsprechende Punkte auf der gegenüberliegenden Seite des Körpers des Partners an.
- Auch wenn das Schlagen der Punkte mehr Spaß macht, solltest du dich recht bald mit der Materie der richtigen Wiederbelebungstechniken vertraut machen. Ich empfinde diese Techniken zwar als sehr abgefahren aber erstens, gehören sie zum Kyusho dazu und zweitens, nur weil wir ihre Wirkungsweise noch nicht verstehen, heißt das nicht, dass sie nicht funktionieren.
- Training an Personen mit gesundheitlichen oder Drogenproblemen solltest du gänzlich unterlassen. Die Reaktion auf den Körper ist enorm und wenn die gesunde Ausgangsbasis fehlt, weiß Du nie was passieren kann. Laste Dir keine Vorwürfe auf.
- Knock-Outs sind cool und mega spektakulär. Aber sie sind nicht notwendig für ein erfolgreiches Training. Gewöhnlich reicht ein leichter Schlag um die Effektivität an Knock-Out-Punkten zu demonstrieren vollkommen aus.
- Weil Knock-Out-Punkte so gefährlich sein können, mach Deine ersten Versuche hierzu nur unter genauer Anleitung und am besten unter ärztlicher Aufsicht. Jeder Körper reagiert unterschiedlich.
- Wie du Dir die Punkte am besten merken kannst, ist Dir überlassen. Zwei Methoden um sich die Punkte zu merken, haben sich jedoch bewährt. Zum einen kannst Du aus der Technik-Sicht kommen. Deine Technik gibt Dir die Punkte an. Zum anderen kannst Du von der Punkte-Sicht ausgehen. Der Punkt gibt Dir die Technik vor. Beides getrennt voneinander zu lernen, wäre doppelte Arbeit. Deshalb versuche Technik und Vitalpunkt miteinander zu verknüpfen.
Du kennst jetzt einige wichtige Grundlagen für die Arbeit mit Vitalpunkten. Mit diesem Wissen ausgestattet, hast Du eine gute Basis, um verantwortungsvoll Dein Studium des Kyusho Jitsu zu beginnen oder fortzuführen. Wenn Du echt Gas geben möchtest, dann ist dieser 6 Schritte Plan für ein systematisches Kyusho womöglich etwas für dich!
Und wenn Du jetzt noch ganz am Anfang stehst, dann keine Sorge. Es geht auch ganz überschaubar. Drei Vitalpunkte sind mehr als genug!
Bevor Du jetzt jedoch voller Begeisterung Dich dem Partnertraining widmest, hier noch eine kleine Info für Dich.
Mache Deine ersten Versuche ruhig unter professioneller Anleitung auf einem Seminar. Kyusho wird in Deutschland immer bekannter und die Qualität wird stetig besser. Ich kann dir hierzu die Seminare von Nils Scheiring und seinem Team wärmstens empfehlen. Nils ist im Privat- und Justizsektor mit seinem Kyusho und seinen Vermittlungsmethoden in Deutschland ganz vorne mit dabei. Außerdem ist er Autor auf diesem Blog. Also doppelt cool! 😉
Danke das Du den Artikel bis zum Ende gelesen hast. Der verantwortungsvolle Umgang mit Vitalpunkten liegt mir sehr am Herzen. Als Kampfkünstler sollte unsere erste Priorität immer sein, das Leben und die Gesundheit unseres Partners und unsere Eigene zu schützen und zu erhalten.
Hast Du auch schon erste Erfahrungen mit der Arbeit an Vitalpunkten machen können und wie sehen diese aus. Auf was sollte man Deiner Meinung noch achten? Teile Deine Erfahrungen doch bitte mit uns.
Wenn dir noch andere Grundlagen zum Training mit Vitalpunkten einfallen, dann schreibe doch schnell einen kleinen Kommentar.
/Wir sehen uns auf der Matte
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